Die glas - und metallerzeugende Industrie steht unter doppeltem Druck, die Dekarbonisierung schnell umzusetzen: einerseits muss in Sachen Stahlproduktion mittel- und langfristig auf die Klimaneutralität hingearbeitet werden, andererseits möchte man sich schnell aus der Abhängigkeit von russischem Öl, Kohle und Erdgas befreien. Zusammengenommen kann das die Initialzündung sein, um auch bei der Glas- und Stahlerzeugung in eine grüne Zukunft zu starten. Könnte die Lösung dafür grüner Stahl sein?
Eine schnelle Elektrifizierung im großen Stil, wie in anderen Branchen, ist bei Glas- und Stahlerzeugern und im Metall verarbeitenden Gewerbe nicht umsetzbar. Zu energieintensiv sind die Prozesse und zu lange die Investitions- und Innovationszyklen, um eine rentable Transformation in den Betrieben zu erlauben. Aller Voraussicht nach müssen Milliarden in neue Anlagen investiert werden.
Der kurz- und mittelfristige Druck auf die Glas- und Stahlbranche steigen also; nicht nur, weil sie am meisten CO2 emittiert, wie das Handelsblatt berichtet. Über 30 Prozent aller Industrieemissionen in Deutschland gehen auf das Konto der Stahlindustrie. In Europa sind es 5,7 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen. Europäische Stahlhersteller haben sich daher selbst verpflichtet, den Ausstoß bis 2030 um rund 30 Prozent zu senken; bis 2050 will man klimaneutral, ohne Emissionen, sein und zugleich einen wettbewerbsfähigen Zustand erreichen. Es muss also jetzt gehandelt werden.
Die Glas-, Stahl- und metallverarbeitende Industrie ist also die energieintensivste Industrie überhaupt. Dies wird sehr deutlich, wenn man sich die Prozesstemperaturen vor Augen führt: Zwischen 950 und bis zu 1.500 Grad sind notwendig. Solche Wärmegrade sind derzeit vor allem durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Erdöl, Erdgas, Koks und Kohle zu erreichen. Derzeit wird nur ein geringer Teil des produzierten Glases und Stahls über Elektroschmelzverfahren verflüssigt und bearbeitet. Dazu gehört die Georgsmarienhütte GmbH, die bereits vor Jahren aus Klimaschutzgründen konsequent auf Elektroöfen zur Stahlherstellung umgestellt hat und hier eine führende Rolle einnimmt.
In Zukunft Wasserstoff – aber bis dahin grüner Stahl?
Die Glas-, Stahl- und metallverarbeitende Industrie tüftelt bereits länger an Technologien, um fossile Energieträger adäquat mit Hilfe erneuerbarer Formen ersetzen zu können. Intensiv geforscht wird unter anderem am Einsatz von Wasserstoff und dem so genannten Direktreduktionsverfahren. Dabei wird Koks durch Wasserstoff als Reduktionsmittel ersetzt – mit dem Ergebnis, dass die Stahlerzeugung CO2-frei wird. So würde sich die Transformation von Eisenerz in Roheisen klimafreundlich durchführen lassen. Doch diesen und anderen Verfahren zur Dekarbonisierung der Stahlindustrie stehen höhere Herstellungskosten für so genannten „grünen Stahl“ und Wettbewerber gegenüber, die den Stahl immer noch durch traditionelle Hochöfen billiger produzieren. Firmen wie Thyssenkrupp oder Salzgitter usw. würden vor allem gegenüber den Betrieben der Konkurrenz aus Asien das nachsehen haben.
Gleichzeitig steigt aber die Nachfrage nach grünem Stahl, denn immer mehr Abnehmer fordern CO2-Neutralität auch in der Lieferkette. Ein eigenes Label soll dafür sorgen, dass grüne Stahlproduzenten ihren Vorteil auch marktrelevant nutzen können. Der Markt soll eines Tages grünen Stahl mit hoher Nachfrage und hohen Preisen belohnen, während das schmutzige Pendant immer weniger Abnehmer findet und deutlich verbilligt abgegeben werden muss. Thyssen Krupp Steel vergibt Milliardenauftrag für eine Direktreduktionsanlage am Standort Duisburg. Man wird nach dem Bau und der Inbetriebnahme jährlich 3,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid weniger ausstoßen.
Pilotprojekte und Kooperationen sichern Energiebedarf
Vermutlich wird es produzierenden Unternehmen alleine nicht gelingen, grünen Wasserstoff komplett selbst herzustellen. Welches Unternehmen hat schon ausreichend Platz auf dem Industriegelände, um mit einer Photovoltaik Anlage, Windrädern und Speichern große Mengen Strom zu produzieren und vorzuhalten? Geschweige denn die notwendigen Experten grüne Kraftwerke zu bauen, die ja auch finanziert werden müssen.
Das Land Nordrhein-Westfalen fördert den Aufbau einer klimaneutralen Glasproduktion. Am Produktionsstandort Herzogenrath soll bis 2030 die weltweit erste klimaneutrale Glasproduktion aufgebaut werden. Künftig werden dann mehr als 100.000 Tonnen CO2 Emissionen pro Jahr eingespart.
Die deutsche RWE und der zweitgrößte Stahlkonzern der Welt, ArcelorMittal, haben sich bereits verbündet, um sich gegenseitig bei der Dekarbonisierung und Elektrifizierung zu unterstützen. RWE soll grünen Strom aus Windkraft liefern, mit dem dann gemeinsam grüner Wasserstoff für die energieintensive Stahlerzeugung produziert werden kann.
In Schweden wird bereits mit Wasserstoffspeichern experimentiert, die eines Tages bis zu 120.000 Kubikmeter Wasserstoff fassen sollen. Insbesondere für eine energieintensive Branche, wie die Stahlindustrie, könnte damit sichergestellt werden, dass die benötigte Energie konstant und unabhängig von Wind und Wetter verfügbar ist.
Langfristig ist die deutsche Glas- und Stahlindustrie also in einer guten Situation – wenngleich sie dafür auch Milliarden an Überbrückungshilfen vom Staat benötigt. Die Politik bemüht sich mit Klimaschutz-Sofortprogrammen und Subventionen darum, den Stahlstandort in Deutschland nicht nur zu halten, sondern die Stahlproduktion auch zukunftsfähig zu machen.
Auch die Standardmaßnahmen nicht vergessen
Bis dies alles zu marktreifen Optionen herangereift ist, kann die Glas-, Stahl- und metallverarbeitende Industrie inzwischen ihren Energiebedarf drosseln. Das ist schon heute möglich. Produktionshallen müssen zwar beleuchtet, klimatisiert und belüftet werden. Hallen jedoch nur dort zu beleuchten und zu klimatisieren, wo Menschen arbeiten oder die Umrüstung auf langlebige energieeffiziente Beleuchtungskörper wie LED, sind schnell umsetzbare „low hanging fruits“ des Energiesparens.
In der Glas- und Stahlindustrie wird, ähnlich wie in der Automobilindustrie, mehr Strom als Wärme benötigt. Wie in vielen anderen Industrien auch, kommt hier die Abwärme der Hochöfen als energetischer Zusatznutzen ins Spiel. Sie wird heute noch nicht optimal genutzt, obwohl es möglich wäre, um Wärme von 50 bis 60 Grad durch Wärmepumpen für das Beheizen von Gebäuden und Hallen oder für Warmwasser zu nutzen. Was einfach klingt, ist es nicht immer und überall, aber eine Anstrengung wert: Die Vielzahl der Abwärme Quellen muss identifiziert und die Technik für deren Nutzung installiert werden.
Ich meine: Selbst bei allen aktuellen Herausforderungen für die energieintensive Glas-, und Stahlbranche gibt es durchaus mittel- bis langfristig optimistische Perspektiven, die gut fürs Klima und die Industrie sind.
Das ist auch meine Mission und die meines Unternehmens: „Open House of Energy“. Mit meinem Team beraten wir die produzierende Industrie, nicht nur in der Stahl- und Metallbranche, zum Einsparpotenzial von Energie durch neue Technologien. Wir schlagen Finanzierungsmodelle vor, durch die sich kurzfristig Maßnahmen umsetzen lassen, um langfristig die Kosten senken und den Grad der Energieeffizienz und Dekarbonisierung zu erhöhen.