Durch den letzten Beschluss der Bundesregierung ergeben sich für Fertigungsunternehmen zusätzliche Verpflichtungen die CO2- Emissionen um 65% anstatt 55% gegenüber 1990 zu reduzieren.
In Zahlen heißt das, es sind in den kommenden neuneinhalb Jahren 60 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent von der Industrie einzusparen. Mit der Novelle hat sich für Industrieunternehmen die einzusparende Menge an CO2-Äquivalent bis 2030 um 22 Mio. Tonnen (+58%) erhöht! Am stärksten sind Fertigungsunternehmen betroffen, die einen hohen Verbrauch an fossilen Brennstoffen wie Erdgas, Öl, Diesel und Koks haben. Hierzu zählen die chemische Industrie, die Stahlindustrie und die Rohstoffe-Industrie.
Um gravierende Wettbewerbsnachteile etwas zu entschärfen, wird erwartet, dass diesen Branchen über die nächsten Jahre bestimmte Mengen an kostenlosen CO2-Rechten eingeräumt werden. Ggf. aber mit abnehmender Menge in jedem weiteren Jahr. Entsprechende Entlastungen in Form einer Grenzabgabe werden zurzeit von der Europäischen Kommission mit dem Ziel vorbereitet, diese Branchen vor Klimadumping zu schützen. In der Verordnung über Maßnahmen zur Vermeidung von Carbon-Leakage - BECV sind die Entlastungen für Sektoren und Teilsektoren geregelt. Je nach verbrauchten fossilen Brennstoffen (Brennstoffbenchmark), der Bruttowertschöpfung, Handelsintensität und Sektor erhalten die Unternehmen Beihilfen, um die steigenden CO2-Kosten zu mindern. Zum Teil werden nur 25% der zusätzlich entstehenden Kosten kompensiert, was bedeutet, dass genau gerechnet werden muss.
Eine weitere zukünftige große Herausforderung ist die Verknappung von Strom, was somit zu einer Steigerung der Stromkosten führen wird. Neben dem Sektor Industrie sind Energieerzeuger verpflichtet, ihr CO2-Äquivalent um weitere 67 Mio. (+145%) zu reduzieren. Dies soll durch einen Ausbau der erneuerbaren Energien (Windkraft, Photovoltaik) erfolgen. Parallel dazu wird der negative Effekt durch die verbindliche Stilllegung der Kernkraftwerke verstärkt. Inwieweit der Ausbau der erneuerbaren Energien auch die Netzentgelte beeinflusst wird, ist derzeit noch nicht abzuschätzen.
Zusätzlich zu den höchstwahrscheinlich steigenden Stromkosten entsteht für die Industrie ein weiterer Unruheherd zum Thema gesicherte Energieversorgung. Der durch die Novelle des Bundesimmissionsgesetzes festgelegte Ausbau der erneuerbaren Energien kann zu Engpässen in der Stromversorgung von Fertigungsunternehmen führen. Hiervon sind insbesondere Unternehmen betroffen, die im 3-Schichtbetrieb fertigen oder im kontinuierlichen Betrieb gefahren werden. Die Energieerzeuger müssen Ihre CO2 Emissionen aus Kraftwerken mit fossilen Brennstoffen (Gas, Kohle, Öl) bis 2030 um 51% reduzieren. Dies bedingt einen starken Ausbau der erneuerbaren Energien und deren Speicherung. Da der Anfall von Strom aus erneuerbaren Energien relativ volatil ist, sind Schwankungen und Einschränkungen in der Stromversorgung zu erwarten. So betrug im ersten Halbjahr 2021 der Anteil an erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung 15% weniger als im ersten Halbjahr 2020 - bei einem Mehrverbrauch an Strom von 5,5%.
Die Sicherstellung von einer reibungslosen Produktion und Fertigung hat die höchste Priorität. Im ersten Schritt sollte im Unternehmen überprüft werden, welche Prozesse durch eine schwankende Stromversorgung besonders stark betroffen sind. Das geschieht im Rahmen einer Prozess-Riskmap. Hat man den Überblick über die kritischen Prozesse gewonnen, kann man Maßnahmen zeitnah zur Sicherstellung der Stromversorgung planen.
Beispiele hierfür sind:
Mit dem Lastmanagementsystem regelt man das Abschalten einzelner Maschinen bzw. Prozesse, um das Netz zu entlasten.
Eine weitere Maßnahme zur Sicherstellung der Stromversorgung wäre der Abschluss weiterer Stromversorgungs-Verträge mit zusätzlichen Anbietern. Dies bedingt jedoch mindestens zwei oder mehrere Einspeise-Punkte für Strom vom Netz.
Die Stromversorgungsverträge könnten mit etablierten Stromversorgern oder unabhängigen Stromerzeugern mittels PPA-Verträgen (Power Purchase Agreements) geschlossen werden.
Die Installation von Notstromaggregaten ist aus unserer Sicht nicht empfehlenswert. Bedingt durch hohe Emissionsschutz-Auflagen und eine eingeschränkte Laufzeit ist der Nutzen fraglich. Wenn Sie eine Notstromversorgung zur Stabilisierung der Stromversorgung planen, sind Sie gut beraten, wenn Sie sich mit den Landesbehörden intensiv austauschen.
Parallel zu den oben genannten Lösungen und Maßnahmen gilt es, so schnell wie möglich, die Energieeffizienz in Ihrem Unternehmen zu verbessern. Auf durch Strom angetriebene Systeme entfallen ca. 70% des Strombedarfs von Industrie und Gewerbe. Durch die Verbesserung der Energieeffizienz lassen sich erhebliche Einsparungen an Strom erzielen und damit zu einer Entlastung der Stromversorgung führen. Hierzu bietet sich an, als erstes jede Querschnittstechnologie auf ihre Effizienz hinzu überprüfen.
Unter Querschnittstechnologien versteht man Technologien/Anlagen, die zum Betreiben und zur Versorgung der Fertigungs-, Produktionsprozesse notwendig sind. Hierzu zählen Beleuchtung, Druckluftversorgung, Lüftungsanlagen, Wärmepumpen, Kühl- und Kälteanlagen sowie Pumpen und Elektroantriebe. Viele dieser Technologien lassen sich auch im Rahmen eines Contractings oder als Servicemodell (z.B. Licht als Service) im Unternehmen implementieren, ohne dass das Unternehmen selbst investieren muss.
Kesselanlagen, betrieben mit fossilen Brennstoffen, zur Erzeugung von Warmwasser und Dampf sollten durch Wärmepumpen bzw. elektrische Dampferzeuger ersetzt werden.
Hier empfehlen wir nur ausgereifte Technologien einzusetzen, die sich bewährt haben, ansonsten gefährden Sie die Verfügbarkeit und Leistung Ihrer Fertigungsprozesse. Auch die Qualität Ihrer Produkte könnte sonst darunter leiden.
Wollen Sie bestehende Kesselanlagen weiterhin mit Gas betreiben, so bietet sich Biogas an. Dieses können Sie über mehrere Anbieter einfach über Ihren Gasanschluss beziehen.
Eine Substitution von Gas und Öl durch Wasserstoff oder andere Energieträger (e-fuels) auf Basis von erneuerbaren Energien ist vorerst nicht zu empfehlen. Zum einen sind diese Energieträger relativ teuer, da zu ihrer Herstellung erheblich mehr Energie notwendig ist und zum anderen ist die Distribution meistens aufwendiger. Des Weiteren ist zu beachten, dass fossile Energieträger bei der Verbrennung für den Prozess notwendige chemisch-physikalische Reaktionen bewirken, die die Qualität Ihrer Produkte beeinflussen. Bei einer Umstellung auf Wasserstoff könnte es hierbei zu Problemen kommen. Aus Gesprächen mit unseren Kunden wissen wir, dass hierfür aufwendige Tests in Labor-Technika und Betriebs-Maßstab notwendig sind, um den sicheren Betrieb zu gewährleisten.
Der Aufbau einer Eigenstromerzeugung hilft dem Unternehmen die Versorgung seiner Produktionsprozesse mit Strom nachhaltig zu verbessern. Zurzeit bieten sich zwei Technologien zur Eigenstromherstellung an:
Die Stromerzeugung durch Photovoltaik erfordert große Flächen, um eine adäquate Strommenge zu erhalten. Die saisonalen Schwankungen bedeuten, dass zum Beispiel im Winter nur ein Drittel der installierten Leistung zur Verfügung steht. Wenn möglich sollte der Strom vollständig eigenverbraucht werden. Viele Unternehmen haben nur bedingt Flächen verfügbar, die für Photovoltaik geeignet sind. Aus unserer Erfahrung lässt sich bei stromintensiven Unternehmen nur 1 bis 5% des Strombedarfs mit Photovoltaik erzeugen.
Bestehende Kraftwärme-Koppelungsanlagen (KWK) können CO2-neutral betrieben werden, sofern es den Unternehmen gelingt, das Bio-Erdgas vom Energieversorger zu beziehen. Wir gehen davon aus, dass Bio-Erdgas zukünftig knapp werden und sich dadurch verteuern wird. Neue Kraftwärme-Koppelungsanlagen zu bauen, um die Energieversorgung sicherzustellen, kann aus heutiger Sicht nicht empfohlen werden. Für diese Entscheidungen bedarf es einer gesicherten Belieferung mit Bio-Erdgas oder Wasserstoff. Derzeit sind die Kapazitäten bei Bio-Erdgas und bei Wasserstoff jedoch nur sehr eingeschränkt vorhanden; bei Wasserstoff ist die dafür notwendige Logistik noch nicht ausreichend vorhanden.
Die am 24. Juni 2021 beschlossenen Änderungen im Klimaschutzgesetz haben folgende Auswirkungen auf produzierende Industrieunternehmen:
Wie können sich die Unternehmen darauf vorbereiten: